AKW Tihange von Hochwasser bedroht: Umweltinstitut fordert umgehende Abschaltung gefährdeter Reaktoren

umweltMünchen, 16.07.2021: Durch die fortschreitende Klimakrise steigt das Risiko beim Betrieb von Atomkraftwerken enorm an, insbesondere durch Extremwetter wie Hochwasser und Trockenperioden. Das zeigt sich aktuell am belgischen Atomkraftwerk Tihange, das durch die derzeit stark hochwasserführende Maas gekühlt wird. Das Umweltinstitut fordert eine sofortige Abschaltung hochwassergefährdeter Meiler in Europa.

Aktuell ist die Lage am AKW Tihange in Belgien kritisch: Die Maas führte bis vor kurzem ein Hochwasser bis 2140 Kubikmeter pro Sekunde. Für den Hochwasserschutz wurde ein historisches Bemessungshochwasser aus dem Jahre 1926 mit 1862 Kubikmeter pro Sekunde herangezogen und ein Sicherheitspuffer von 20 Prozent auf 2234 Kubikmeter pro Sekunde angesetzt [1]. Das aktuelle Hochwasser übersteigt das „Jahrtausendhochwasser“ von 1926 damit deutlich. Mit dieser Auslegung wäre die Anlage nur knapp an einer Überflutung des Geländes vorbeigeschrammt. Bei einer Flutung eines AKW-Geländes sind unerwartete Ausfälle, insbesondere an elektrischen Einrichtungen, nicht auszuschließen. Zudem würde im Störfall der Zugang durch Rettungskräfte durch das Hochwasser stark behindert oder unmöglich.

In Reaktion auf die Atomkatastrophe im AKW Fukushima Daichi 2011, das von einem Tsunami geflutet wurde, ist die Flutmauer in Tihange erhöht worden. Dies reicht für zukünftig erwartbare Hochwasser jedoch ebenfalls nicht aus. Die in den Stresstests nach Fukushima geforderte Auslegung auf bis zu 3500 Kubikmeter pro Sekunde Durchfluss der Maas wurde aus unbekannten Gründen zurückgefahren [1]. Somit besteht die Gefahr durch Hochwasser am AKW Tihange fort. Aktuell scheint der Zenit des Maas-Hochwassers überschritten [2], nach Auskunft der belgischen Aufsichtsbehörde FANC auf Twitter [3] ist dennoch weiterhin erhöhte Wachsamkeit nötig.

Auch der zweite AKW-Standort in Belgien, das AKW Doel, ist unzureichend gegen extreme Regenfälle geschützt: In der Vergangenheit hat das Drainagesystem bereits versagt. Auf diesen Umstand hat das Umweltinstitut erst kürzlich im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zur Laufzeitverlängerung der AKW Doel 1 & 2 hingewiesen [4].

Auch in Deutschland ist der Hochwasserschutz an vielen Atomkraftwerken unzureichend: Laut der Sicherheitsüberprüfung der Reaktorsicherheitskommission von 2011 haben lediglich die AKW Emsland und Isar-2 das Robustheitslevel 1 erreicht – alle übrigen Standorte hingegen nicht. Insbesondere das AKW Grohnde wäre bereits beim Erreichen des Bemessungshochwassers um 80 cm überflutet, beim AKW Gundremmingen beträgt der Spielraum zwischen dem angesetzten Bemessungshochwasser und der Anlagenauslegung nur 8 cm [5]. Diese Sicherheitsreserve ist unzureichend, da davon auszugehen ist, dass auch hierzulande historische Hochwasser infolge des Klimawandels noch deutlich überschritten werden können. Eine Flutung des AKW-Geländes erschwert den Zugang zur Anlage im Störfall. Unerwartete Ausfälle, insbesondere von elektrischen Einrichtungen, wären auch hier nicht auszuschließen.

„Die aktuellen Extremwetter führen zu menschlichen Tragödien, wenn Betroffene Ihr Hab und Gut, Ihr Leben oder Ihre Angehörigen verlieren. Wir sind mit unseren Gedanken bei den Betroffenen“, so Dr. Hauke Doerk, Referent für Radioaktivität am Umweltinstitut. „Unerwartet starke Hochwasser könnten zu einem zweiten „Fukushima“ in Europa führen. Die Klimakrise verschärft das nukleare Risiko weiter. Wir fordern, die hochwassergefährdeten Atomkraftwerke sofort vom Netz zu nehmen und verstärkt in ein erneuerbares Energiesystem zu investieren, welches sowohl die Folgen der Klimakrise abmildert als auch sicher zu betreiben ist.“

Quellen:

[1] https://www.inrag.org/wp-content/uploads/2021/06/INRAG-REPORT-DE.pdf

[2] http://voies-hydrauliques.wallonie.be/opencms/opencms/fr/hydro/Actuelle/crue/cruetableau.do?id=33

[3] https://twitter.com/FANC_AFCN/status/1415955904114081793

[4] http://www.umweltinstitut.org/fileadmin/Mediapool/Aktuelles_ab_2016/2021/20210623_EinwendungDoel/UVP_AKW_Doel_1und_2_Musterstellungnahme.pdf

[5] https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/atomkraft/atomkraft_studie_atomstrom_sicherheit.pdf

Quelle: www.umweltinstitut.org

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Kunst und Kultur

Abschluss des WANDlabor-Kunstprojekts


c alanusEine einzigartige Zusammenarbeit zwischen Universitätsklinikum Bonn und Alanus Hochschule Alfter

Bonn, 02. Juli 2024 – Das innovative WANDlabor-Projekt, eine Zusammenarbeit zwischen dem Exzellenzcluster ImmunoSensation des Universitätsklinikums B...


weiterlesen...

Erweiterung der Ost-West-Achse:


VCDKöln, den 24. Juni 2024 Bei der Beschlussvorlage und der Berichterstattung über die Kapazitätserweiterung der Ost- West-Achse wird der Eindruck erweckt, dass eine entsprechende Förderung durch Bund und Land bereits gesichert sei. Tatsächlich ist j...


weiterlesen...

THE DAMNED: Die lang erwartete Reunion


damnedThe Damned wurden nach ihrer Gründung im Jahr 1976 in London zu einer der erfolgreichsten und einflussreichsten Bands der britischen Punkrock-Szene der 70er Jahre. Ihre Debütsingle „New Rose“ (1976) gilt als die erste Punksingle, die jemals im Ver...


weiterlesen...

Sommerkonzerte des Chors der TH Köln


TH KölnDer Chor der TH Köln lädt in der kommenden Woche am 2. und 6. Juli zu seinen Sommerkonzerten ein. 

Gemeinsam mit dem Männergesangsverein Metzholz bringt der Chor der TH Köln am 2. Juli 2024 ab 20.00 Uhr Tradition und Pop zusammen auf die Bühne der...


weiterlesen...

Energie aus Weinbau-Biomasse - TH Köln


Bild Thomas MockenhauptBei der Weinherstellung fallen Reststoffe wie Trester – der feste bis breiartige Rückstand nach dem Pressen der Trauben – und Rebholz nach dem Schneiden der Reben an. Diese bleiben bislang weitgehend ungenutzt. Wie die Biomasse verwertet werden kö...


weiterlesen...

ANGA COM 2025 vom 3. bis 5. Juni:


  • anga com geht losKongressmesse für Breitband, Fernsehen & Online vom 3. bis 5. Juni 2025 in Köln
  • Aussteller-Anmeldung ab sofort auf www.angacom.de möglich
  • Hervorragende Bewertungen in der Ausstellerbefragung
  • Videos, Fotos und ausgewählte Kongressaufzeichnungen onl...

  • weiterlesen...
    @2022 lebeART / MC-proMedia
    toTop

    Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.