Einfach so
Kürzlich lag ich im warmen Bett in Florida neben meinem Liebsten und erwartete den Schlaf, welcher sich gewöhnlich sanft um meinen Körper legt. Leise, tiefe Atemzüge einnehmend, ließ ich die ganze Intensität und Fülle des Tages in unterschiedlicher Farbenpracht durch mich fließen, als sich völlig unerwartet die Erinnerung an das Alter meiner Mutter in den Vordergrund drängte. Abrupt nahm sich eine Panikattacke soviel Raum ein. Die Vorstellung, dass sie mit ihren achtzig Jahren jederzeit diese Welt verlassen könnte, stimmte mich so traurig und machte mich schutz- und hilflos. Eine gewisse Ahnung, dass wir Geschwister uns dann noch viel seltener sehen könnten, weil die Zentrale nicht mehr vorhanden wäre, stürzte mich unerwartet in ein inneres,bodenloses Dasein. Ohne sie wäre ich kein Kind mehr und die Zeit, an welcher wir uns zunehmend ableben, würde deutlichere Fortschritte signalisieren. Ohne Mutter verliere ich meine Familie, mein Zentrum, meinen Mittelpunkt. In Trauer gehüllt, mochte sich der Atem nicht mehr, seinen Weg durch meinen Körper zu bahnen, floss einfach nicht, alles erstarrte. Seltsam, wie es doch möglich ist, dass der eine Moment so voller Frieden und Liebe sein kann, so wunderbar umarmt vom Sein. Und der nächste einem ohne Ankündigung von jetzt auf gleich den kompletten Boden unter den Füßen verschwinden lassen kann. Das zarte Streicheln meines Liebsten und die vorsichtige Forderung, in seine Arme zu rücken, holte mich in das Jetzt zurück. Das sich anlehnen und gehalten werden ließ den inneren Sturm abebben und die Erinnerung, dass auch ich Mutter bin und eine Zentrale für mein Kind, hinterließ zwar einen melancholischen Beigeschmack, welcher das Leben in seinen Kreisläufen und Zyklen unausweichlich macht. Aber alles hat eben einen Anfang und auch ein Ende.
Am nächsten Morgen ihre mir sehr vertraute Stimme am Telefon vernehmend, dankte ich Gott, dass jetzt noch alles so ist, wie es ist.
tülay yahya
Am nächsten Morgen ihre mir sehr vertraute Stimme am Telefon vernehmend, dankte ich Gott, dass jetzt noch alles so ist, wie es ist.
tülay yahya