Griechenland: Push-Backs gegen Menschen auf der Flucht haben System

amnesty logoBERLIN, 20.06.2021 – Griechische Grenztruppen halten gewaltsam und rechtswidrig Schutzsuchende fest, um sie in die Türkei zurückzuschieben. Damit verstoßen sie gegen ihre Menschenrechtsverpflichtungen nach EU- und Völkerrecht, wie neue Recherchen von Amnesty International darlegen.
 
Der englischsprachige Bericht „Greece: Violence, lies and pushbacks“ dokumentiert, wie die griechischen Behörden illegale Push-Backs an Land und auf See durchführen. Er konzentriert sich vor allem auf rechtswidrige Operationen der Grenzpolizei zwischen Juni und Dezember 2020 in der Region Evros und am gleichnamigen Fluss, der die griechisch-türkische Grenze bildet. Im Februar und März 2020 drängte Griechenland als Reaktion auf die einseitige Öffnung der Landgrenze durch die Türkei Schutzsuchende gewaltsam zurück. Die neue Untersuchung zeigt, dass weiterhin Menschenrechtsverletzungen begangen werden und zu einer fest verankerten Praxis geworden sind.
 
Franziska Vilmar, Asylexpertin bei Amnesty International in Deutschland, sagt: „Es ist erschütternd, dass mehrere griechische Behörden eng zusammenarbeiten, um Schutzsuchende brutal festzunehmen und zu inhaftieren. Unsere Recherchen zeigen, dass gewaltsame Push-Backs de facto zur griechischen Grenzpolitik in der Evros-Region geworden sind. Bei den von Amnesty International dokumentierten Fällen waren bis zu 1.000 Personen betroffen, manche mehrfach und manchmal unter Nutzung inoffizieller Haftzentren. Der Organisationsgrad dieser Abschiebungen zeigt, wie weit Griechenland geht, um Menschen illegal zurückzuschicken und dies zu vertuschen.“
 
Die überwiegende Mehrheit der Menschen, mit denen Amnesty International gesprochen hat, berichtete, dass sie Gewalt von Personen, die sie als uniformierte griechische Beamt_innen beschreiben, sowie von Männern in Zivilkleidung erlebt oder gesehen hat. Dazu gehörten Schläge mit Stöcken oder Knüppeln, Tritte, Faustschläge, Ohrfeigen und Stöße, die manchmal zu schweren Verletzungen führten.
 
In den meisten Fällen lag bei den berichteten Gewalttaten ein Verstoß gegen das internationale Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung vor. Einige Vorfälle kamen aufgrund ihrer Schwere und der erniedrigenden oder strafenden Absicht auch Folter gleich.
 
Zudem adressiert Amnesty International Frontex. Vilmar sagt: „Die Grenzschutzagentur hat die Pflicht, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Wenn Frontex das nicht gelingt, müssen ihre Operationen in Griechenland beendet werden. Alle Menschen, mit denen wir gesprochen haben, wurden aus Gebieten zurückgedrängt, in denen Frontex eine große Anzahl von Mitarbeiter_innen hat. Die Agentur kann daher nicht behaupten, sie wisse nichts von den Misshandlungen, die wir und viele andere Organisationen dokumentiert haben.“
 
Dokumentierte Push-Back-Fälle
 
Ein 25-jähriger Syrer, der im August 2020 viermal zurückgeschoben wurde, berichtete Amnesty International, dass die Gruppe, mit der er unterwegs war, bei seinem zweiten Versuch von „Soldaten“ in schwarzer Kleidung und Sturmhauben in einen Hinterhalt gelockt und an das Ufer des Flusses Evros gebracht wurde. Zwei Personen aus der Gruppe versuchten zu fliehen, wurden aber von einem der Soldaten aufgehalten und brutal verprügelt. Der Augenzeuge, der vermutete, dass die Wirbelsäule eines der Männer gebrochen war, sagte Amnesty International: „Er konnte sich überhaupt nicht bewegen, er konnte nicht einmal seine Hände bewegen.“ Laut seinen Angaben brachten die Soldaten die beiden verletzten Männer über den Fluss in die Türkei, wo türkische Soldat_innen und ein Krankenwagen eintrafen, um ihnen zu helfen.

Ein anderer Mann berichtete Amnesty International, dass er und seine Gruppe bei einer der Rückführungsaktionen in der Nähe einer kleinen Insel in der Mitte des Evros-Flusses vom Boot ins Wasser gedrängt wurden. Dort waren sie tagelang gestrandet. Ein Mann konnte nicht schwimmen und schrie um Hilfe, während er im Wasser auf- und abtauchte und dann von der Strömung mitgerissen wurde.
 
Push-Backs finden nicht nur in den Grenzgebieten statt. Die Menschen werden auch mitten auf dem griechischen Festland aufgegriffen und festgehalten, bevor sie in die Evros-Region zurückgebracht werden, um dort rechtswidrig abgeschoben zu werden. Amnesty International sprach mit vier Personen, die in Gebieten Nordgriechenlands willkürlich aufgegriffen und festgehalten und schließlich in größeren Gruppen in die Türkei zurückgeschoben wurden. Unter ihnen waren ein anerkannter Flüchtling und ein registrierter Asylbewerber, die seit fast einem Jahr auf dem griechischen Festland lebten.
 
Hintergrund
 
Der neue Bericht von Amnesty International „Greece: Violence, lies and pushbacks“ basiert auf Gesprächen mit 16 Personen, die 21 Push-Backs erlebt haben. Der Bericht konzentriert sich vor allem auf Push-Backs an der Evros-Grenze zwischen Juni und Dezember 2020. Basierend auf ihren Zeug_innenaussagen wird geschätzt, dass von diesen rechtswidrigen Operationen etwa 1.000 Menschen betroffen waren.
  
Frontex, die Europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache, ist verpflichtet, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen und ihre Aktivitäten auszusetzen oder einzustellen, wenn es zu solchen Verstößen kommt. 

Quelle: www.amnesty.de

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Musik / Film

Ruhr-in-Love – Das Familienfest der


Ruhr in Love Banner Headfloor ArtistsAm 6. Juli 2024 findet Ruhr-in-Love, das Familienfest der elektronischen Musikszene, im OlgaPark in Oberhausen statt. Jetzt verkündet I-Motion den vollständigen Timetable und die Latest News zur 21. Ausgabe. Mit dabei sind 400 Artists auf 40 Floor...


weiterlesen...

Kölner Arbeits- und Recherchestipendien


stadt Koeln LogoKünstlerische Vorhaben von 13 Künstler*innen und zwei Kurator*innen erhalten

Im Mai fand die Jurysitzung zur Vergabe der altersunabhängigen Recherche- und Arbeitsstipendien im Bereich "Bildende Kunst" 2024 statt. Diese Stipendien ermöglichen es pr...


weiterlesen...

30.06.2024 KinderKünstlerFest


kinderkuenstlerfestWir freuen uns sehr, euch schon zum 18. Mal zum beliebten KinderKünstlerFest auf der Wiese hinter dem Kunstmuseum Villa Zanders einzuladen!

Wie immer stehen viele Mitmachstationen zum künstlerischen Experimentieren bereit. Unter Anleitung unserer ...


weiterlesen...

13.07.–27.10.2024 „HONIG für Kunst und


Foto  Eberhard HahneBienen und ihre Produkte in Werken von Joseph Beuys, Hede Bühl, Felix Droese u.a.

"Die menschliche Fähigkeit ist nicht,
Honig abzugeben, sondern zu denken,
Ideen abzugeben.
Das wird jetzt parallel gesetzt."
Joseph Beuys.
 

Bienen haben die Menschen...


weiterlesen...

Ausstellung In Focus Galerie - Nick


Petero by Cliff Fiji 2023Die in focus Galerie, Burkhard Arnold in Köln, freut sich Nick Brandt mit seiner Serie „The Day May Break“ zu präsentieren. The Day May Break ist eine fortlaufende globale Serie, die Menschen und Tiere porträtiert, die von Umweltzerstörung und Kli...


weiterlesen...

Masterplan Stadtgrün - Stadtbezirk


Plakat Mülheim ProgrammStadtgrünAm 23. März 2023 wurde der Masterplan Stadtgrün durch den Stadtrat beschlossen. Damit wurde ein strategisches Leitbild für die Sicherung und Entwicklung des gesamten Kölner Grüns - der sogenannten grünen Infrastruktur vorgelegt. (weitere Infos zum...


weiterlesen...
@2022 lebeART / MC-proMedia
toTop