Ich bins dein Nachbar...Dirk Grün
Bereits mit 28 Jahren hat der Musiker und Musikpädagoge Dirk Grün einiges an Lebenserfahrung gesammelt und u.a. in Mülheim erfolgreiche Projekte durchgeführt. Er sagt selbst: „Das Leben ist immer so schwer, wie man es sich selber macht.“ Aufgewachsen in einem kleinen Ort in der Nähe von Prüm, zwischen Wäldern, Wiesen und Feldern, kam er durch die dörfliche Vereinsstruktur früh zur Musik und ist ihr bis heute treu geblieben. Seit 2006 lebt er in Mülheim und hat zusammen mit Rabih Lahoud das Projekt „sou.l.y. – sounds like you“ ins Leben gerufen. Wir haben Dirk getroffen und mit ihm über sein Leben, Mülheim und die Musik gesprochen.
Kurz gesagt:
Ich bin nach Mülheim gekommen, weil…es die geografische Mitte in meiner Beziehung war.
Ich komme ursprünglich aus…einem Dorf in der Südwesteifel, nähe Prüm.
Ein guter Tag beginnt für mich, wenn…ich morgens Yoga mache.
Mein liebster Fleck Mülheim ist…der Rhein.
Meinen Charakter beschreiben die drei Worte…interessiert, beweglich, verlässlich
Ich mag es gern, wenn…ich mit Freunden zusammen bin.
Das mag ich nicht…Fanatismus
Zurzeit lese ich das Buch…“Was ich glaube“ von Hans Küng
Dieses Erlebnis vergesse ich nie…das Pilotprojekt von sou.l.y. mit Jugendlichen
Auf eine einsame Insel nehme ich mit…meine Instrumente, Bücher, viele nette Menschen
Als Kind wollte ich…Archäologe werden
Glück bedeutet…dem Leben im Moment zu begegnen
Du bist 2006 aus praktischen Gründen nach Mülheim gezogen, da du und deine Freundin so eure Studienorte am besten erreichen konntet. Im Laufe der Zeit hast du Mülheim nicht nur durch dein alltägliches Leben kennen gelernt, sondern auch durch Projekte. Wie gefällt es dir hier?
Mir gefällt es sehr gut. Ich fühle mich sehr wohl hier. Ich mag die Nähe zum Rhein, so dass man einfach schnell am Wasser ist. Besonders schön finde ich den Stammheimer Schlosspark. Das ist ein wunderschöner Ort und dort ist es etwas ruhiger. Hier kann ich das Erlebnis Natur genießen. Was ich zusätzlich gut finde ist, dass immer mehr Künstler und Kulturschaffende nach Mülheim kommen.
Du sagst Mülheim ist ein Viertel in dem wahnsinnig viel passiert. Es leben viele junge Menschen und Familien aus unterschiedlichen Kulturen hier. Welche Chancen und Gefahren siehst du dabei, auch im Bezug darauf, dass Mülheim seine Identität bewahrt und Heimat von Menschen aller Gesellschaftsschichten bleibt?
Ich mag dieses Flair, das ist eine positive Entwicklung. Um dies zu festigen, finde ich, müsste kulturell noch mehr entstehen. Ich meine damit z.B. Cafes und Orte, wo sich die Menschen begegnen können. Ich persönlich würde mich über einen kleinen Tanzclub sehr freuen, so etwas würde hier gut rein passen.
Was mir auffällt ist, dass Mülheim ein bisschen getrennt ist. Wir haben den Teil um den Stadtgarten und Alt-Mülheim, wo sich das Bildungsbürgertum niederlässt und Türken leben in der Keupstraße und Berliner Straße. Da finde ich, sollten wir aufpassen, dass die Mischung nicht verloren geht und wieder Parallelwelten entstehen. Ich finde es wichtig, dass die Menschen verschiedener Kulturen im Austausch bleiben.
Mit sieben Jahren hast du begonnen Klarinette zu lernen und nun zwei Musikstudien abgeschlossen. Was bedeutet dir die Musik?
Für mich ist die Musik die Möglichkeit meine Emotionalität auszuleben und meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Hierdurch konnte ich mich mit mir, als Mensch auseinander setzen, und mich somit weiter entwickeln. Ich bringe die Gefühle, die in mir sind, nach außen. Somit ist die Musik für mich das Medium mein Inneres zu zeigen.
Du hast zum künstlerischen zusätzlich ein pädagogisches Studium gemacht, warum?
Ich habe bereits im Alter von 16 Jahren Musikunterricht gegeben. Das war für mich sehr praktisch, da ich mir mit dem was ich kann mein Studium finanzieren konnte. Für mich gehört das Musik machen und die Erfahrung und Fertigkeit weiter zu geben, zusammen. Durch das pädagogische Studium konnte ich meinen praktischen Erfahrungen eine theoretisch fundierte Basis geben.
Eines deiner Projekte ist sou.l.y. – sounds like you, welches du zusammen mit Rabih Lahoud durchführst. Ihr habt bereits erfolgreich mit Jugendlichen gearbeitet und momentan führt ihr Singworkshops mit Erwachsenen durch. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Den klassischen Musikunterricht führe ich i.d.R. im Bildungsbürgertum durch. Es war mir aber immer ein Anliegen, dass Menschen verschiedener Milieus die Möglichkeit bekommen, sich durch und in der Musik begegnen und sich ausdrücken können.
Für sou.l.y. gab es eine konkrete Situation, die eine Art Initialzündung war. Im Herbst 2008 war ich gerade im Bürgerhaus MüTZe auf der Berliner Strasse, als zwei Mädchen (ca. 13-14 Jahre alt) herein kamen und gefragt haben, ob sie Lieder vorsingen dürfen. Sie haben das auch gemacht und es hat mich wahnsinnig berührt. Ich habe gemerkt, wie stark ihr Bedürfnis war, Musik zu machen und andere daran Teil haben zu lassen. Es erfordert ja sehr viel Mut einen solchen Schritt zu machen.
Danach habt ihr das Projekt ins Leben gerufen. Ihr habt Fördergelder beantragt und mit Jugendlichen von Hauptschulen und dem Jugendladen in der Bergisch Gladbacher Straße den ersten Workshop gemacht. Zusammen hattet ihr sechs Auftritte u.a. auf dem Jugendkunstfestival, in der MüTZe und zur Interkulturellen Woche im Kulturbunker. Was sind deine bzw. eure Erfahrungen aus diesem Projekt?
Es war für uns ein Pilotprojekt. Sou.l.y. ist dabei eine Art Lable, worunter verschiedene Projekte laufen. Wir haben alle viel voneinander gelernt. Ich habe sehr viel von Jugendlichen vor allem über die jugendliche Musikkultur erfahren und mitgenommen.
Momentan ist es uns nicht möglich, wöchentlich zu proben. Doch es war uns wichtig die Jugendlichen, die Interesse haben, an weitere Projekte zu vermitteln, was wir auch getan haben. Auch wollen wir bald wieder einen Workshop für Jugendlichen in den Ferien anbieten.
Aktuell gibt es im Rahmen von sou.l.y. die Singworkshops für Erwachsene. Der nächste findet am 24.04.2010 von 10.00-16.30 Uhr in den Räumen des SSM in der Düsseldorfer Str. 74 unter dem Motto „Feel the spirit of your voice“ statt. Wie ist das entstanden?
Während unserer Jugendarbeit kamen Menschen auf uns zu und fragten, ob es dies nicht auch für Erwachsene gibt. Wir haben nicht lange gezögert und die zunächst vage Idee in die Tat umgesetzt und konkretisiert. Die monatlichen Workshops sind eine gute Chance diese Übergangszeit der geographischen Distanz von Rabih in Rostock und mir in Mülheim konstruktiv nutzen zu können, damit das Projekt nicht einschläft.
Welche Idee steckt hinter Sou.l.y.?
Wir haben gemerkt, wie stark das Bedürfnis der Menschen ist, zu singen. Mit wenigen Mitteln, eigentlich nur mit der Stimme, können wir uns in der Musik begegnen. Wir versuchen mit vielen verschiedenen Menschen aus unterschiedlichen Milieus und Kultur- und Gesellschaftsgruppen in Kontakt zu treten.
Durch Rabih und mich haben wir einen großen theoretischen Background. Im gesamten lernen wir beide voneinander und von den Teilnehmern.
Wir versuchen in einem jeden Workshop eine gute Atmosphäre in der Mischung, aus theoretischem Hintergrund über Musik und der Freude an der Musik und dem Musizieren, zu finden.
Nach dem Motto: Sei einfach da, mach mit und probier dich aus. Du kannst deine Hemmnisse überwinden und dann schauen wir was passiert.
Was ist das Besondere für dich an der Begegnung durch Musik?
Soetwas kann man verbal schwer erklären. Es sind einfach ganz besondere Momente, in denen sich Menschen auf einer tieferen Ebene begegnen. Dies passiert über die Schwingungen von Tönen. Das ist es, was mich antreibt Musiker und Pädagoge zu sein. Weil ich diese tiefe Begegnung über den Ton mit den Menschen spannend finde und teilen möchte. Man begegnet sich ehrlich, so wie man ist, ohne Fassade.
Hast du neben Sou.l.y. noch andere Projekte?
Ich bin momentan dabei meinen eigenen Weg zu finden und das Studium so ein bisschen los zu lassen. Ich manage ein Kammermusik-Ensemble. Das nennt sich Esemble Melisma. www.ensemblemelisma.com . Das möchte ich intensivieren. Es besteht aus vier Musikern. Wir erarbeiten verschiedene Stücke und laden unterschiedliche Gastmusiker ein, diese mit uns zu spielen. Zudem baue ich mir eine Existenz als freischaffender Musikpädagoge auf und unterrichte als Dozent auch einen Tag pro Woche an der Clara-Schumann-Musikschule in Düsseldorf Klarinette und Saxophon.
Wenn du die Möglichkeit hättest die Welt so zu gestalten, wie du sie gern hättest. Wie sähe sie dann aus?
Für mich ist es wichtig, dass die Menschen das sehen, was da ist. Ich meine damit, dass wir unsere Potentiale erkennen, an sie glauben und Wege suchen, diese zu entfalten. Wir können uns gegenseitig unterstützen, sie frei zu legen. Es gibt wahnsinnig viel Gutes, was hier und jetzt in unserer Gesellschaft passiert. Wir sollten das sehen lernen und mehr kultivieren. Daher glaube ich, dass es das Wichtigste ist bei sich selbst zu schauen, seinen Weg und seinen Frieden zu finden. Jeder sollte seinen eigenen Fragen im Leben nachgehen und dabei die anderen Menschen nicht vergessen. Ich bin überzeugt das genau an dieser Schnittstelle dann die Entfaltung der individuellen Potentiale passiert. Daher möchte ich gern eine Wunschvorstellung in der Realität suchen und leben.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Ich wünsche mir meinen Weg als Musiker und Musikpädagoge weiter zu gehen. Ich möchte offener für die Impulse, die von außen an mich herankommen, werden. So dass ich durch meine Arbeit viele Menschen erreichen kann und meine Erfahrung mit den Erfahrungen anderer Menschen teilen kann.
Vielen Dank für das Gespräch Ilka Baum
Kontakt:
Dirk Grün
tel. 0163 – 384 72 76
mail: info@dirkgruen.de
Das Interview erscheint in der Printausgabe der Mülheimer Stimmen Ausg. 168 Apr./Mai 2010 www.muelheimer-stimmen.de (Ich bins dein Nachbar...Dirk Grün)