Dorothea trifft...Carola Moeller - Initiatorin des 1. Kölner Umsonstladen
Im Herbst 2004 öffnete der 1. Umsonstladen in Köln in Mülheim im Bürgerhaus „MüTZe“. Eine Gruppe von 12 Frauen und Männern gestalten den Laden aktiv und versuchen, die Idee des solidarischen, geldlosen“Gebens und Nehmens“ zu entwickeln und zu vermitteln. Ich habe mit der Iniatiatorin des Ladens, der 1929 in Bonn geborenen Sozialwissenschaftlerin Carola Moeller gesprochen.
Hallo, Carola, wie kam Dir die Idee, einen Umsonstladen in Köln zu gründen?
Das ist nicht so von heute auf morgen passiert. 2002 habe ich das erste Mal von einem Umsonstladen gehört und zwar aus Hamburg. Ein Jahr später haben die Hamburger mit den 15 anderen damals bevorstehenden Umsonstläden zum Erfahrungsaustausch eingeladen. Werner, der Mitgründer unserer Gruppe und ich sind dahin gefahren, um zu schauen, ob das etwas für Köln- Mülheim ist oder nicht.
Ihr wart dann von der Idee angetan und habt Mitstreiter-und streiterinnen gefunden?
Ja, und nach langer Raumsuche konnten wir im September 2004 im Bürgerhaus „MüTZe“ auf der 1. Etage den Umsonstladen eröffnen. Seitdem sind wir dort in einem 35 qm großen Raum, der inzwischen zu klein ist für alles, was wir haben. Wir haben dreimal in der Woche 2 Stunden geöffnet und der Betrieb nimmt zu : wir schätzen, dass in der Woche etwa 100 Leute kommen. Die monatliche Miete finanzieren wir über Spenden. Daher ist jede finanzielle Unterstützung willkommen.
Wie funktioniert der Umsonstladen ?
In unserem Laden können Sachen abgegeben werden, die sonst unbenutzt in Schränken, Kellern und auf Böden herumliegen : Kleider, Bücher, Kinderspielsachen, Geschirr, Haushaltsgeräte, CD´s, etc. Diese Dinge werden dann umsonst weitergegeben und genutzt. Wir nehmen maximal 5 guterhaltene Teile an, und alle Besucher dürfen bis zu
3 Teile auf einmal mitnehmen.
Was ist die Idee hinter dem Umsonstladen ?
In einer Welt, in der fast alles nur durch Kauf und Verkauf erhältlich ist, will der Umsonstladen eine kleine Oase sein. Wichtig ist uns Aktiven nicht nur Gebrauchsgegenstände weiterzugeben, sondern mit den BesucherInnen ins Gespräch zu kommen. Wir wollen über den Kontakt und Austausch andere anregen, eine kritische Einstellung zum ständigen Gefühl des Kaufen-Müssens, des Konsumierens zu entwickeln. Der Umsonstladen kann Grundlage sein, um mehr Menschen zur Selbsthilfe und Nachbarschaftshilfe anzuregen.
Es kann sich ein Geben und Nehmen im Alltag entwickeln?
Ja, viele Alltagsdinge kann man sich untereinander ausleihen (z.B. einen Trolley) andere Produkte kann man gemeinsam nutzen (z.B. die Waschmaschine) und das ohne Geld. Gut und sinnvoll wäre es, wenn im Stadtteil weitere Projekte der gemeinsamen Selbstversorgung entstehen würden.
Was verstehst du unter Selbstversorgung?
Ökonomisch gesehen ist Selbstversorgung eine geldlose Versorgung. Darüber hinaus ist es eine Versorgung die ein kooperierendes Verhalten erforderlich macht, was sicher auch ein Lernprozess ist.
Weil wir auf Einzelkämpfertum aus sind?
Ja, weil das Konkurrenzverhalten ganz tief in uns eingepflanzt worden ist.
Das passt aber nicht zur Form der Selbstversorgung. Wir möchten- dies ist EIN Ziel unserer Umsonstladengruppe - dass uns dieses ständige konkurrierende Gegeneinander im Alltag bewusst wird und wir dazulernen.
Oder dass wir auch andere Prägungen, die wir vom kapitalistischen Denken und Handeln übernommen haben, in Frage stellen : zum Beispiel, dass mein Status im Alltag von der Kleidermarke oder der Automarke abhängt. Oder die Notwendigkeit, meine Arbeitskraft unter allen vorgegebenen Bedingungen verkaufen zu müssen, etc.
Wie kann man solche Prägungen überwinden?
Gegen solche Prägungen hilft eigentlich nur, selber andere Lebensweisen zu erproben. Sich mit anderen zusammen ein menschlicheres Zusammenleben aufzubauen.
Wir brauchen andere Formen des Wirtschaftens und andere Formen des Arbeitens als abhängige Lohnarbeit.
Die uns bevorstehenden schwierigen Jahre mit steigender Erwerbslosigkeit und weniger Einkommen sind so auch besser zu überstehen.
Hat sich das Verhältnis in Eurer Gruppe zum Konsum verändert?
Ja, viel wichtiger als „die Dinge“ sind für die meisten von uns das Erlebnis der Solidarität , der guten Beziehungen untereinander. “Gut leben“ heisst für uns deshalb auch : Bedürfnisse erfüllt zu bekommen, die nicht mit Geld käuflich sind.
Gab es Schwierigkeiten in der Anfangszeit Eures Projekts?
In der Anfangszeit war es gar nicht schwierig. Wenn man ein Projekt aufbaut, ist die Anfangsphase immer die schönste Phase. Wir hatten tolle Ideen, wie wir etwas dekorieren, woher wir einen Kleiderständer bekommen, und alle solchen kleinen Notwendigkeiten. Schwierig wurde es erst später als sich das Ganze etwas normalisiert hatte.
Was wurde da schwierig?
Auch in Gruppen ,in denen es nicht um Geld geht, entstehen Konflikte. Das hat viel mit Macht und Ansehen-haben-wollen zu tun. Wir haben uns zum Glück sehr bald von außen einen Mediator geholt, mit dem wir die entstehenden Konflikte bereden konnten. Das hat uns sehr geholfen.
Auch heute bleiben Konflikte nicht aus, aber wir haben eine Form gefunden, sie früher anzusprechen und offen zu diskutieren um eine Lösung zu finden.
Ihr habt jetzt einen besseren Zusammenhalt in Eurer Gruppe?
Ja, wir haben ein gutes Miteinander entwickelt. Jeder hat seine Begabung und bringt sie hinein. Jeder hat seine eigene Position zur Idee des Projekts gefunden und hat seine eigene Motivation mitzumachen. Für manche ist der theoretische Anspruch sehr wichtig, anderen gefällt der Gedanke, überschüssige Dinge sinnvoll weiterzuleiten.
Habt Ihr auch gemeinsame Aktivitäten?
Ja, wir haben einiges an gemeinsamen Aktivitäten im Laufe der Zeit entwickelt:
Einmal im Monat treffen wir uns vor unserer „Orgasitzung“, in der organisatorische Dinge besprochen werden zu einer Diskussionsrunde. Wir tauschen uns über bestimmte Themen aus, wie z.B. : „Welche Bedürfnisse habe ich ? Was ist mir wirklich wichtig?“
Einmal im Monat besuchen wir gemeinsam eines der Kölner Museen.
Alle 2-3 Monate gehen wir auf dem „Kölner Pfad“ wandern.
Diese Aktivitäten stärken das Gefühl der Verbundenheit, was in Konfliktsituationen zum Tragen kommt.
Du bist Sozialwissenschaftlerin. War der Umsonstladen Dein erstes Projekt?
Nein, ich habe viele Projekte in meinem Leben gemacht, solche, für die ich bezahlt wurde und andere, mit denen ich etwas verändern wollte.1986/87 z.B. habe ich eine empirische Untersuchung über ungeschützte Arbeitsverhältnisse im Dienstleistungssektor von Köln gemacht. Da zeichnete sich bereits ab, was mit der Lohnarbeit weiterhin passieren würde und weiterhin passiert: Verschlechterung der Arbeitsverträge, der Löhne, Zunahme der Leiharbeit, für immer mehr keine existenzsichernde Entlohnung, bei immer mehr geforderter Leistung und Flexibilität.
Was wollt Ihr in der Gesellschaft bewegen ?
Natürlich können wir nicht viel bewegen, aber wir können in kleinen Schritten über Verhalten nachdenken und Verhalten ändern. Wir sind im ganz kleinen Bereich, aber wenn wir nicht mit solchen kleinen Bereichen anfangen, weiss ich nicht, wie sich überhaupt etwas ändern soll. Da gibt es ja nicht einen Schnitt und jetzt haben wir eine andere Gesellschaft. Die muss ja entstehen und gewollt sein von den Menschen.
Welche Ideen habt Ihr für Mülheim?
Wir möchten Menschen aus Mülheim dazu anregen, weitere Projekte der geldlosen Selbstversorgung im Stadtteil zu entwickeln. Anfang nächsten Jahres wollen wir dazu einen Diskussionsabend in der“MüTZe“machen.
Um den Hamburger Umsonstladen haben sich bereits eine Reihe weiterer Projekte entwickelt, z.B. eine Fahrradreparaturwerkstatt und ein großer Garten. Kürzlich wurde dort eine“Freie Universität“ gegründet, wo Vorlesungen und Seminare ohne Geld angeboten werden. Dass stösst auf grosses Interesse.
Ideen müssen wir hier in Mülheim gemeinsam entwickeln. Der Stadtteil bekommt ja vom Land einen Entwicklungszuschuss von 40 Mio.Euro. Da müsste doch ein Grundstück für einen“Interkulturellen Garten“oder ein anderes Gemeinschaftsprojekt drin sein.
Unsere Web-Seite: www.umsonstladen-koeln.de
Vielen Dank für das Gespräch!
Dorothea Weisel