Neue Wirkstoffe gegen Muskelschwund erforscht

Grafik Stefan PetersMit zunehmendem Alter oder aufgrund von Erkrankungen kann die körperliche Leistungsfähigkeit stark abnehmen. Für Betroffene bedeutet das häufig den Verlust von Lebensqualität und Unabhängigkeit. Stefan Peters hat in seiner kooperativen Promotion an der Universität zu Köln und der TH Köln daher an neuen Wirkstoffen gegen Muskelschwund geforscht. Dabei hat er 67 neue Substanzen hergestellt und getestet. Die wirkungsvollste dieser Substanzen ist in ersten Experimenten um den Faktor 50 aktiver als die zugrundeliegenden Referenzverbindungen.

„Im Zuge des demografischen Wandels nehmen komplexe Alterserscheinungen wie die körperliche Gebrechlichkeit stetig zu. Mehr als zehn Prozent der über 60-Jährigen sind von Sarkopenie betroffen, also altersbedingtem Muskelabbau. Da die Krankheit im häuslichen Umfeld auftritt, schleichend verläuft und sich von Mensch zu Mensch unterscheidet, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Hinzu kommen Fälle von Kachexie. Dabei wird der Muskelschwund durch Krankheiten wie Krebs, chronische Herzinsuffizienz oder chronische Entzündung verursacht“, sagt Peters. Die Folgen seien oft immens. So könne Muskeldegeneration unter anderem zu körperlicher Schwäche, Gleichgewichtsproblemen, eingeschränkter Mobilität und einem erhöhten Sturzrisiko führen.

Bislang gebe es noch keine Arzneimittel ohne schwerwiegende hormonelle Nebenwirkungen, die bei Muskelschwund eingesetzt werden könnten, so Peters: „Eine Therapie erfolgt derzeit über die Mobilisierung der Patient*innen mittels Physiotherapie und vermehrter sportlicher Betätigung sowie einer Umstellung der Ernährung.“ Da diese Maßnahmen aber nur bedingt weiterhelfen könnten, sei der Bedarf an neuen Wirkstoffen hoch.

Myostatin als entscheidende Stellschraube für Muskelwachstum


In seiner Promotion hat sich Peters mit der Synthese von Substanzen beschäftigt, die das Protein Myostatin hemmen sollen. „Myostatin wird im menschlichen Körper gebildet und limitiert das Muskelwachstum. Es sorgt dafür, dass Muskeln nicht unkontrolliert ausgebildet werden und der Körper somit nicht überlastet wird. Das ist vor allem bei der Entwicklung des Körpers entscheidend, um die Balance zwischen Aufbau und übermäßigem Wachstum zu halten.“ In bestimmten Fällen von Muskeldegeneration könne es aber ohne gravierende Auswirkungen für den Organismus kontrolliert gehemmt werden.

„Verschiedene Studien haben gezeigt, dass bei Sarkopenie und Kachexie vermehrt Myostatin im Körper gebildet wird. Hier besteht also Potenzial, diese Stellschraube mit einem Wirkstoff zu adressieren“, sagt Peters. Bei einigen neuromuskulären Degenerationskrankheiten wie Muskeldystrophie dagegen habe man ein vermindertes Myostatin-Level festgestellt. Dies zeige, dass der Körper auf natürliche Weise auf die Muskeldegeneration reagiere. „Ein Wirkstoff, der das Myostatin zusätzlich hemmt, ist hier nicht sinnvoll – der Körper hat an dieser Stellschraube schon selber gedreht.“

Insgesamt 67 neue Verbindungen erstellt und getestet


Ausgangspunkte für die Synthese waren zwei bereits existierende Referenzverbindungen, die auf Myostatin beziehungsweise auf ein anderes, mit Myostatin verwandtes Molekül, abzielen. „Bei diesen Verbindungen handelt es sich um so genannte Wirkstoffkandidaten. Das bedeutet, dass diese Substanzen noch erforscht werden, ihre Struktur und Wirkung wissenschaftlich aber bereits charakterisiert sind“, erklärt Peters. Diese Verbindungen habe er mit Hilfe einer Substanzbibliothek und computergestützter Verfahren zunächst theoretisch optimiert. „Dazu habe ich Bestandteile ausgetauscht und den Einfluss dieser Anpassungen auf die Substanzeffekte analysiert. So lassen sich Struktur-Wirkungs-Beziehungen nachvollziehen und gezielt Substanzen mit den gewünschten Eigenschaften herstellen“, sagt Peters.

Im Rahmen der Promotion entstanden insgesamt 67 vielversprechende Substanzen, die Peters in einem weiteren Schritt gemeinsam mit der Postdoktorandin Dr. Viktoria Marquardt aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Sherif El Sheikh getestet hat. „Dazu haben wir die Substanzen in eine mit Myostatin behandelte Zellkultur gegeben und deren Wirkung anschließend detektiert“, so Peters.

Wichtiger Beitrag zu Grundlagenforschung


„Die Testungen waren in vielerlei Hinsicht aufschlussreich: Wir konnten viele Verbindungen mit geringen Effekten ausschließen und gleichzeitig fünf identifizieren, die besonders aktiv und damit potenziell aussichtsreich sind. Die Substanz mit dem größten Effekt war dabei um den Faktor 50 aktiver als die Referenzverbindungen“, sagt Peters. Die Ergebnisse seiner Arbeit seien ein wichtiger Beitrag zur Grundlagenforschung, wie er weiter erklärt: „Durch die Synthese und Testung neuer Verbindungen lassen sich tiefergehende Rückschlüsse auf Struktur-Wirkungs-Beziehungen ziehen.  Ausgehend davon können die vielversprechendsten Verbindungen, die in meiner Arbeit entstanden sind, in zusätzlichen Forschungsarbeiten nun weiter optimiert werden.“

So sollen die von Peters entwickelten Substanzen an der TH Köln weiter erforscht werden, wie Prof. Dr. Sherif El Sheikh von der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften erklärt: „Die Substanzen sollen in einem nächsten Schritt an echten Muskelzellen und -fasern getestet werden, um zu überprüfen, ob eine positive Wirkung auf das Muskelwachstum festzustellen ist. Dies soll in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln erfolgen, wo auch überprüft werden kann, ob die Substanzen dem Muskelabbau in der Schwerelosigkeit, also in der Raumfahrt, entgegenwirken können.“

Die mit 0,0 (summa cum laude) bewertete Dissertation von Stefan Peters wurde im Rahmen eines kooperativen Promotionsverfahrens durch Prof. Dr. Hans-Günther Schmalz von der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln und Prof. Dr. Sherif El Sheikh von der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften der TH Köln betreut.

Link zur Dissertation: https://kups.ub.uni-koeln.de/70248/

Abbildung: Mit Hilfe von computergestützten Methoden hat Stefan Peters simuliert, wie eine möglichst gut wirksame Substanz aussehen und an das Myostatin-Protein binden kann. (Grafik: ©Stefan Peters) 
Quelle: www.th-koeln.de

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