29.08. – 22.11.2020 „Es wird einmal gewesen sein“ Jutta Dunkel – Martin Rosswog in der Reihe Ortstermin

jutta dunke o tIn der Ausstellungsreihe „Ortstermin“ widmet sich das Kunstmuseum Villa Zanders in diesem Jahr zwei künstlerischen Positionen, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten. Auf den zweiten Blick eröffnet sich aber eine erstaunliche Parallele zwischen den sinnlichen Buntstiftzeichnungen von Jutta Dunkel (*1958 in Neuss) und den sachlich-dokumentarischen Fotografien des Becher-Schülers Martin Rosswog (*1950 in Bergisch Gladbach): Sie beide dokumentieren Zeit – also das, was irgendwann einmal gewesen sein wird.

Seit den 1980er Jahren hat sich Martin Rosswog in verschiedenen fotografischen Langzeitprojekten der systematisch-dokumentarischen Beschreibung dessen gewidmet, was ihm angesichts des unerbittlichen Fortschreitens der Zeit als besonders bewahrenswert scheint. Sein übergeordnetes Thema ist dabei die menschliche Existenz. Oder genauer noch, die Suche nach grundlegenden Gemeinsamkeiten, die nicht nur in den Menschen selbst, sondern vor allen Dingen in ihrem Umfeld in Erscheinung treten, in Innen-, Außen- und Siedlungsräumen. So zum Beispiel in den Serien zu einer Roma-Siedlung in Siebenbürgen und der Neubausiedlung um den Dortmunder Phoenixsee.

Besonders reizvoll ist dabei Rosswogs Dokumentation von 30 Bergisch Gladbacher Urgesteinen der Nachkriegszeit – darunter z.B. Katharina Schmitter, Ludwig Krämer, Franz Potthoff und Margarethe Zanders – die er Mitte der 1980er Jahre in Bildern und Texten portraitierte, um ein Stück identitätsstiftende Zeitgeschichte seiner Heimatstadt zu bewahren. Ein weiteres Heimspiel feiert Rosswogs Serie der „Bergischen und Oberbergischen Interieurs“ aus der Werkgruppe Heritage, die sich traditionellen Wohngebäuden in ländlichen Gegenden Europas widmet und – bedingt durch das sukzessive Verschwinden der Motive – inzwischen eindeutig „einmal gewesen ist“. Rosswogs strikte Systematik lenkt den Blick nicht nur auf vergleichbare Muster menschlicher Wohnformen, sondern auch auf das enge Beziehungsgeflecht von Menschen, Orten und kollektiven Erinnerungen in dem Begriff „Heimat“.

Die Bergisch Gladbacher Künstlerin Jutta Dunkel ist nicht weniger eine Dokumentaristin von Zeit, hat allerdings nicht zuletzt durch ihr Medium – die Buntstiftzeichnung – einen völlig anderen Zugang zu diesem Thema gefunden. Insbesondere in ihren Zeichnungen aufgeschnittener Früchte, an denen schon die Spuren des organischen Verfalls sichtbar werden, fixiert sie flüchtige Momente, die im starken Kontrast zu der beachtlichen Produktionsdauer einer mehrschichtigen Buntstiftzeichnung stehen. Dabei folgt sie einer beeindruckenden Ästhetik, bei der die Betrachtenden durchaus nicht nur Schönheit und Harmonie empfinden sollen, sondern auch von Ekel oder Unbehagen überkommen werden dürfen – ambivalente Gefühle, die durch die Abstraktion der Zeichnungen und das bewusste Spiel mit Orientierung und Bildausschnitten noch gesteigert werden.

Zu sehen ist erstmals ein umfassender Überblick über Jutta Dunkels Werk. Die im-Vergehen-begriffenen Früchte der Serie Polymorph mögen zwar an die Tradition der Memento mori-Motive erinnern, sind im Kern jedoch Andachtsbilder einer ganz anderen Art: Statt sich der eigenen Vergänglichkeit bewusst zu werden und dies als beängstigend zu empfinden, fordern sie eher dazu auf, sich im positivsten Sinne mit «Zeit» und dem Leben im Hier und Jetzt auseinanderzusetzen. Daneben stehen die Serien Heimkehr, geträumt und Nahverkehr, in denen die Künstlerin an Ortserfahrungen gekoppelte Erinnerungen untersucht.

In verschiedenen Themenbereichen betrachtet die Ausstellung das Spannungsfeld dieser beiden künstlerischen Positionen, dokumentarischen Beweggründe und technischen Umsetzungen. Dabei will sie dazu einladen, sich bei der Betrachtung dessen, was einmal gewesen sein wird, auf das assoziative Spiel der eigenen Erinnerung mit der Kunst einzulassen und – statt in Wehmut über unabwendbare Verluste zu verfallen – vergegenwärtigte Vergangenheit als Ressource für das zu denken, was einmal werden wird.

„Es wird einmal gewesen sein“
Jutta Dunkel – Martin Rosswog
in der Reihe Ortstermin
29.08. – 22.11.2020

Zu der Ausstellung erscheint ein Katalog.

Kunstmuseum Villa Zanders
Konrad-Adenauer-Platz 8
51465 Bergisch Gladbach

www.villa-zanders.de

Foto: Jutta Dunkel, o.T. aus der Serie „Polymorph“, 2017, Buntstiftzeichnung auf Papier, 21 x 29,5 cm

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Soziales und Leben in Köln

Jane's Walk am 05. Mai 2024


janes walk kölnGemeinsam die Nachbarschaft entdecken und Stadtleben erleben!

Am 5. Mai um 13:00 Uhr laden RADKOMM e.V. und FUSS e.V. Köln zu einem Jane's Walk nach Ehrenfeld ein. Unter dem Motto „Co-Walking in Ehrenfeld" haben Interessierte die Möglichkeit, geme...


weiterlesen...

Kölner Stadtordnung - Verwaltung


stadt Koeln LogoUm ein friedliches und rücksichtsvolles Zusammenleben auf dem engen Raum in der Stadt weiterhin zu ermöglichen und die Bedürfnisse möglichst aller Menschen in Köln zu berücksichtigen, schlägt die Verwaltung dem Rat der Stadt Köln eine Anpassung de...


weiterlesen...

DIANE WEIGMANN - „Das ist der Deal –


Das ist der Deal CoverBild uai 720x720Es sind besondere Zeiten, in denen Musiker:innen wie Diane Weigmann spüren, dass es auch in der Musik mehr geben muss, als nur die gefälligen Themen. Weil man aus einer emotionalen Notwendigkeit heraus schreibt, weil man die Augen nicht mehr vor d...


weiterlesen...

„Studieren probieren“: Schnuppertage an


Schnuppertage Alanus Hochschule c Nola Bunke„Studieren probieren“: Unter diesem Motto lädt die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft vom 21. bis 24. Mai 2024 Studieninteressierte nach Alfter bei Bonn ein. Im Rahmen der Schnuppertage können sie in Seminare, Vorlesungen, Workshops und ...


weiterlesen...

03.05. – 30.05.2024 Ausstellung


Einladungskarte Cindy Dumais Dragonfly legs  2021 Bild Cindy DumaisDie Gruppenausstellung „Materialities“ versammelt die Künstler*innen Julien Boily, Cindy Dumais, Amélie Laurence Fortin, Vincent Hinse und Mathieu Valade der Künstlergruppe AMV (Art / Mobilité / Visibilité) aus Kanada

In unserem thematischen Ausst...


weiterlesen...

UEFA EURO 2024: Stadt Köln schafft


stadt Koeln LogoBei besonders großem Fanandrang wird ein Bereich am Konrad-Adenauer-Ufer genutzt

Im Sommer erwartet die Stadt Köln zur UEFA EURO 2024 hunderttausende Fußballfans aus Europa in Köln. Unter anderem werden internationale Gäste aus der Schweiz, Ungarn...


weiterlesen...
@2022 lebeART / MC-proMedia
toTop

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.