Interview-Reihe „Kölner SexTalk“ Sexmythen als Sexkiller Teil 1 bei Köln-Insight.TV - Radio-Edition

cTATIThema Heute, 18. Mai 2015 ab 20 Uhr „Sexmythen als Sexkiller" Teil 1

Seit 11. Mai sendet Köln-Insight.TV in seiner Radio-Edition am Montag die Interview-Serie „Kölner SexTalk", bei der die Journalistin Petra Wagner im Gespräch mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat über gängige Vorurteile sowie Mythen aufklärt und über die weibliche wie männliche Sexualität informiert.

Für alle jene, die die Sendung nicht live anhören konnten, hier die Inhalte zum Nachlesen.

Sexmythen als Sexkiller

Köln-Insight.TV: In der Sendung vom vergangenen Montag haben wir erfahren, wie man sein Liebesleben auch langjährig aktiv und lustvoll halten bzw. wie man eine Flaute im Bett verhindern bzw. beseitigen kann. Es geht beim Sex nicht um Techniken, sondern um Intimität und Nähe - bei beiden Geschlechtern gleichermaßen.

Heute wollen wir uns nun mit gängigen Mythen beschäftigen, und zwar Sexmythen, die als Sexkiller wirken. Denn auch in unserer aufgeklärten Zeit, in der die Medien sehr offen und freizügig über Sex informieren, existieren in den Köpfen der Menschen noch immer Ansichten über unser Liebesleben, die alles andere als förderlich für den erfüllenden Liebesakt sind.

 

 

PODCAST der weiteren Themen:

Sendung_Grundlos_Sexlos

Sexmythen als Sexkiller 1

Sexmythen als Sexkiller 2

Die lustlose Frau gibt es nicht!

sexuelle Wuensche und Fantasien – der praeorgastische Kick

Klitoris-Die Lustperle der Frau im Wandel der Zeit

Frau Dr. Kossat – um welche Mythen handelt es sich und was ist das Fatale an Ihnen?


Dr. Jutta Kossat: Wir hatten ja schon beim ersten Interview einige Sexualmythen erwähnt wie zum Beispiel erwähnt:
• Männer wollen nur das eine
• Sex muss spontan sein – Lust kommt von alleine
• Liebe/Sex braucht keine Worte
• In langjährigen Beziehungen wird Sex unweigerlich seltener und schlechter.

Das Fatale an ihnen ist ...

• Sexualmythen schränken uns ein,
• strengen uns an, weil sie nicht zu uns passen,
• machen Leistungsdruck,
• verhindern individuelle Sexualität und sexuelle Freiheit,
• erlauben mir nicht meine Sinnlichkeit so zu leben, wie es für mich passt
• gerade für Frauen fehlt oft die eigene Erlaubnis, ihre persönliche Erotik leben zu dürfen
• bewusst oder unbewusste Beeinflussung
• wir nehmen Beeinflussung schon gar nicht mehr wahr.

Köln-Insight.TV: Man sollte doch meinen, in einer aufgeklärten Zeit, wie der heutigen, wissen wir alles ganz genau – und den Rest können wir in den Medien nachlesen oder gleich anschauen – warum sind wir nicht frei von Vorurteilen? Und woher kommen diese Mythen überhaupt?

Dr. Jutta Kossat:
• Viele lassen sich noch auf traditionelle Rollenmuster zurückführen, wie der immer potente, Testosteron-gesteuerte Mann, der hilflos seinen Trieben ausgesetzt ist.
• Mythen sind gesellschaftsabhängig.
• Viele entsprechen sicher auch unserem Zeitgeist, alles optimieren zu müssen, deshalb heißt es heute auch nicht ein Orgasmus darf sein, sondern es heißt Orgas-muss.
• Natürlich spielen noch die Medien eine große Rolle. Sie gaukeln eine freie Sexualität vor, Sex im Fahrstuhl, Ersteinseiger-BDSM-Paket im Sex-Shop (Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism) und und und...
• Diese vermeintliche Freiheit bringt aber auf der anderen Seite auch Druck und Leistungsdenken. Ein bisschen wie der Slogan der 68er.: „Wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment." War sicher auch nicht entspannend.

Köln-Insight.TV: Ok, das heißt, die Offenheit, die wir heute in den Medien erleben, beschert uns nicht die gewünscht sexuelle Freiheit, sondern sie engt uns wieder ein, weil wir nun glauben, alle Erwartungen an die Super-Liebhaber/innen erfüllen zu müssen. Deshalb räumen wir heute mit einigen der gängigsten Mythen auf – Frau Dr. Kossat, was aus Ihrer Erfahrung schwirrt in den Köpfen der Menschen irrtümlich an Vorurteilen in Sachen Sex herum – und was viel wichtiger ist: Welche Sexmythen wirken dabei als Sexkiller?

Dr. Jutta Kossat:
• Picken wir uns ein paar raus.
1. Männer können immer.
2. Männer brauchen das, sonst gehen sie fremd.
3. Gute Sextechnik führt zu großer Lust und Erregung.
4. Ein Mann bringt eine Frau zum Orgasmus.
5. Sextoys als Unterstützung der Stimulation

Wagner KossatKöln-Insight.TV: Männer können immer?

Dr. Jutta Kossat:
• Nein.
• Auch Männer unterliegen Stressfaktoren.
• Egal welcher Stress - beruflicher oder privater Stress führt zu verminderter Lust.
• Was wir Frauen oft vollkommen übersehen, ist der Leistungsdruck den Männer, bezüglich ihrer sichtbaren Erregung, der Erektion, haben.
• Frauen können Erregung vorspielen, und das ist auf eine gewisse Art auch entspannend, wir können ganz entspannt zusehen, ob die Lust sich bei uns entwickelt oder nicht, wir können uns einfach erstmal drauf einlassen.
• So nicht bei Männern.
• Von Männern wird erwartet, dass der Penis steif ist. Und zwar von Anfang an bis zum Ende. Ganz schön anstrengend. Auch Sie können den Kopf nicht frei haben.
• Und schwupp lässt der Gedanke an das nächste Meeting den Penis schwächeln.
• Wenn jetzt dazu kommt, dass die schwächelnde Erektion den Mann oder auch seine Partnerin stresst, kommt es ganz schnell zu Erektionsstörungen.
• Wir können es uns nicht vorstellen, aber nur ein bis zwei negative Erfahrungen, der Penis steht nicht, wenn er stehen soll, reichen für eine chronische Erektionsstörung aus.

Köln-Insight.TV: Die dann im Kopf seine Ursache hat? ... Wie sollte die Frau oder auch der Mann damit umgehen?

Dr. Jutta Kossat:
• Erstmal sich klar machen, Männer können auch nicht immer.
• Als Frau ist es wichtig, dass sie das Nichtkönnen nicht auf sich bezieht, das wäre die klassische Frauenfalle.
• Der Mann kann nicht, also liegt es an mir.
• Und auch der Mann sollte sich überlegen, will ich wirklich jetzt Sex oder ist mein Bedürfnis, was ganz anders, zum Beispiel ausruhen oder auch einfach Zeit für mich haben.

Köln-Insight.TV: Landläufige Frauenmeinung und ihre Folgen - Männer brauchen Sex, sonst gehen sie fremd.

Dr. Jutta Kossat:
• Das höre ich sehr oft von Frauen.
• Die Frauen haben im Grunde keine Lust, sind aber soweit mit sich eigentlich zufrieden und vermissen ihre sexuelle Lust nicht.
• So, jetzt sind sie aber in einer Partnerschaft und entweder haben sie nur das Gefühl, der Mann braucht das oder der Mann formuliert das sogar so.
• Die Frau fühlt sich also unter Druck, sie möchte den Partner nicht verlieren und begibt sich in die klassische Frauenfalle. Sie hat Sex, dem Partner zuliebe.
• Sie ist als nur Erfüllungsgehilfin.

Köln-Insight.TV: Welche Auswirkungen hat das auf das Liebesleben der beiden?

Dr. Jutta Kossat:
• Das kann mehrere fatale Folgen haben.
• Einerseits werden die Lust der Frau oder ihre eigenen Bedürfnisse immer schwächer, weil sie gegen ihren eigentlichen Willen handelt. Im Extremfall kann das sogar zu einer sexuellen Aversion führen, das heißt die Frau empfindet Ekel vor Sex.
• Andererseits fühlt der Mann bewusst oder unbewusst, dass sie nicht wirklich Lust hat und es nur ihm zuliebe macht. Das heißt sein eigentliches Bedürfnis, sich nahe zu fühlen im Sex, wird nicht befriedigt. Denn auch beim Mann besteht das Bedürfnis nach Nähe, das er über Sex zu erfüllen sucht.
• Nach einem Sex, dem anderen zuliebe, kann der andere nicht ein Gefühl des Angenommenseins, des Ich-bin-okay-wie-ich-bin haben, und darum geht es ja.
• Sondern im Grunde fühlt sich der Partner frustriert und sein eigentliches Bedürfnis ist nicht erfüllt worden und damit auch nicht die Gefahr der Affäre. Weil auch in den Affären geht es um Nähe und Beziehung.

Köln-Insight.TV: Das heißt also, ja Männer brauchen Sex, aber Frauen sollten dennoch nicht gegen ihre eigenen Lustgefühle agieren – das geht in die falsche Richtung. Was aber dann? Da fällt mir doch gleich das nächste Statement ein: Ein richtiger Kerl, der weiß, wie es geht, bringt seine Partnerin schon auf Touren ... führt die richtige Sextechnik zu großer Lust und Erregung?

Dr. Jutta Kossat:
• Nein, stimmt so nicht.
• Ich kann ganz beziehungslos, ohne Intimität Sex haben, kann das Kamasuthra rauf und runter turnen und dabei mich nicht wirklich gefühlsmäßig berühren lassen.
• Ohne wahre Intimität würde ich das aber nicht als Sexualität definieren, sondern als Sex-Workout, da kann ich auch genauso gut auf den Berg gehen.
• Beispielsweise die Frau kann sich in der Cosmopolitan die perfekte Oralverkehr-Technik anlesen (Cosmopolitan: Blow Job spezial), aber wenn es nicht ihr entspricht und nicht zu ihrem sexuellen Wesen passt, wird es auch für den Partner nur schal.

Köln-Insight.TV: Also die Technik allein ist es nicht, jeder sollte sich nur auf Bettspiele einlassen, wenn es ihm wirklich danach ist – ok. Aber wie kommen die beiden und vor allem die Frau zu ihrem Höhepunkt. Hier fügt sich nahtlos der nächste Mythos ein – der Mann bringt die Frau schon zum Orgasmus ...

Dr. Jutta Kossat:
• Ja, wenn das stimmen würde, dann kann ich nur sagen, arme Männer, unter diesem Leistungsdruck wollte ich nicht stehen.
• Insbesondere, da die weibliche Stimulation ganz individuell ist, dem Thema könnten wir aber mal eine ganze Sendung widmen.
• Tatsache ist, dass Frauen sich im Normalfall selbst zum Orgasmus bringen.
• Natürlich gehört der Mann dazu.
• Auslösend für den Orgasmus ist aber die für die Frau passende Stimulation, der für sie passende Rhythmus und die passenden Gedanken/Phantasien.
• Und die meisten Frauen, die beim vaginalen Geschlechtsverkehr einen Orgasmus haben, sagen, das geht nur in einer bestimmten Position und wenn sie den Rhythmus bestimmen können und sie dieses und jenes noch machen ...
• Letztendlich bringt sich jeder selbst zum Orgasmus.

Köln-Insight.TV: Und eigentlich ist das doch eine gute Nachricht – jeder ist für sich und seine Erfüllung verantwortlich – das ist doch eine riesige Entlastung für beide – keiner stellt den anderen unter Erwartungsdruck, fühlt sich das nicht für beide frei und leicht an?

Dr. Jutta Kossat: Ja, Sie haben das sehr schön ausgeführt, das wäre der richtige Schritt in Richtung Lebensfreude und Leichtigkeit.

Köln-Insight.TV: Nun kommen wir zu unserem letzten Punkt für heute – Sexspielzeug als stimulierende Unterstützung – was können sie uns dazu sagen?

Dr. Jutta Kossat:│
• Das Gleiche gilt natürlich auch für die ganzen Sextoys. Einschränkend muss man aber sagen, dass viele Frauen auf Vibratoren stehen.
• Ich habe nicht wenige Patientinnen, die sagen, mit dem Vibrator hatte ich meinen ersten Orgasmus. Es darf, aber muss kein Sexspielzeug sein.
• Dieses ganze Gerede um Sextechniken und Spielzeug, ist Schwachsinn, weil es gibt einen Leitsatz in der Sexualität: „Nichts ist erregender als ein erregter Partner oder Partnerin."

Köln-Insight.TV: Also auch dieses Statement ist doch vielversprechend und beruhigend zugleich – es braucht nichts, außer dass wir ganz wir selbst sind.

PODCAST der weiteren Themen.

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Sexmythen als Sexkiller 1

Sexmythen als Sexkiller 2

Die lustlose Frau gibt es nicht! 

Diesen Appell möchten wir Euch gern mit auf den Weg in die Woche geben – seid Ihr selbst, authentisch und klar. Und wenn Ihr mögt, räumen wir nächsten Montag mit weiteren sexkillenden Mythen auf. Bitte denkt auch an unsere geplante Umfrage – und solltet Ihr Fragen oder spezielle Themenwünsche haben, einfach an redaktion@koeln-insight.tv richten – wir nehmen sie gerne mit auf.

Das Gespräch führte Petra Wagner │ Text-Fabrik für Köln-Insight.TV.
Gesprächspartnerin: Dr. Jutta Kossat - Partnerschafts.- Sexualberatung

Foto oben: ©Tatjana Zieschang

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