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Interview: Ich bins dein Nachbar...Kai Eberhardt

wwm_kai_eberhardt_grenzschild.jpgKai Eberhardt lebt seit ca. fünf Jahren in Köln. Der gebürtige Thüringer, dessen Leben einst von Drogen und Gewalt bestimmt war, ist seit einigen Jahren in der Humanisten Bewegung aktiv. Aus diesem Grund nahm er in der Zeit von November bis Anfang Januar am Weltweiten Marsch für Frieden und Gewaltfreiheit teil. Ziel hierbei war, ein Bewusstsein für die friedliche Lösung von Konflikten zu schaffen.
Wir haben den jungen Mülheimer getroffen und ihn zu seinem Leben und dem WWM befragt.

Kurz gesagt:

Ein guter Tag beginnt für mich, wenn…es ist schon ein guter Tag, wenn ich die Augen aufmache.
Ich komme ursprünglich aus…aus Thüringen.
Ich bin nach Mülheim gekommen, weil…mich die Schicksalswinde hierher getragen haben.
Mein liebster Fleck Mülheim ist…hier wo ich wohne.
Drei Worte, die meinen Charakter beschreiben…ich bin lebensfroh, ich lache gern, ich liebe das Leben.
Ich mag es gern, wenn…Dinge so laufen, wie es mir vorgestellt habe und wenn meine Tochter bei mir ist.
Ich mag es nicht gern…isoliert zu sein.
Ich lese zur Zeit das Buch…zurzeit lese ich kein Buch.
Dieses Erlebnis vergesse ich nie…da gibt es viele Ereignisse in meinem Leben, die sehr prägend waren.
Auf eine einsame Insel nehme ich mit…meine Heiterkeit.
Als Kind wollte ich…immer eine Frau sein.
Glück bedeutet…gesund zu sein, die Lust am Lachen nicht zu verlieren und neugierig zu bleiben.

 
Vor ca. fünf Jahren bist du aus Thüringen nach Köln gekommen. Eigentlich sollte dies nur ein Sprungbrett nach Holland sein. Warum bist du weg gegangen?
Ich hatte das Gefühl meine alte Heimat Gotha und die Kreise (der Punkerszene), in denen ich mich da bewegt habe, verlassen zu müssen.
Das war eine gute Entscheidung, denn sonst wäre ich nicht weiter gekommen im Leben und die Gefahr wäre auch sehr groß gewesen, dass ich wieder rückfällig mit dem Alkohol geworden wäre.

Du warst überrascht von Köln. Die offene und lebensbejahende Mentalität der Menschen hat dich hier gehalten. Wie hast du auf das multikulturelle Leben reagiert? War das befremdlich für dich?
Nein befremdlich war das gar nicht. Ich war selbst überrascht von mir, dass ich mich einfach so auf die unterschiedlichen Menschen einlassen konnte. Es hat mich von Anfang an gefreut, verschiedene Kulturen auf engstem Raum kennen zu lernen. Ich hatte nie Vorurteile oder Zugangsängste. Mir ist es egal, wie einer aussieht und wo er herkommt. Hauptsache er ist ein Mensch.

Du fühlst dich in Mülheim zu Hause. Warum?
Es ist schön, dass meine Tochter und meine Freunde hier wohnen. Mir gefallen die Vielfalt, die Keupstraße und der Stadtgarten. Entgegen der öffentlichen Meinung, fühle ich mich sehr wohl in Mülheim. Zudem ist es schön mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln, die Köln zu bieten hat, nach Hause fahren zu können. Mit Bahn, Bus, S-Bahn oder mit dem Schiff. Die Straßenkaffeekultur könnte etwas mehr belebt werden. Es wäre schön, wenn ein öffentlicher Platz geschaffen würde, an dem man sich gern hinsetzt und verweilt. Außerdem ist, wie leider überall, meiner Meinung nach zu wenig Raum für Jugendliche vorhanden.
 
Nach einigem Zögern hast du dich für die Teilnahme am Weltweiten Marsch für Frieden und Gewaltfreiheit entschieden. Was waren deine Beweggründe an dieser Aktion teil zu nehmen?
Ich hatte von vornherein ein positives Gefühl. Tausende Menschen weltweit haben gemeinsam und mit Freude und Engagement an dem gleichen Pullover gestrickt. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass die Welt durch eine solche Aktion von heute auf morgen besser wird. Wir möchten langfristig ein Bewusstsein schaffen, dass eine Welt ohne Gewalt möglich ist. Das dies keine Utopie ist.
Zudem erhoffte ich mir Klarheit zu bekommen und meinen eigenen Frieden zu finden.

Hat sich diese Hoffnung bestätigt. Wie ist dein Resümee?
Ich möchte eine Synthese machen und die Ereignisse ersteinmal ordnen und schließlich aufschreiben. Was ich jetzt sagen kann ist, dass es ein voller Erfolg war. Sehr viele Menschen haben zusammen gearbeitet und tolle Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Sie haben gezeigt, dass sie sich Frieden wünschen. Schließlich hat sogar die Tagesschau darüber berichtet. Für mich selbst war es unbeschreiblich. Ich habe Orte gesehen und Menschen kennen gelernt, denen ich sonst niemals begegnet wäre. Ich habe die Faszination Wüste erlebt, sowie die Anden bereist. Ich habe den Pazifik gesehen und Gebetszeremonien von amerikanischen Ureinwohnern beigewohnt.

Du hast Europa vorher nie verlassen. Hattest du keine Angst, dass du in fernen Ländern und Kulturen nicht zurecht kommst?
Doch sehr. Umso näher der Marsch kam, umso unsicherer war ich. Gerade meine mäßigen Fremdsprachenkenntnisse haben mich beschäftigt. Das bestätigte sich aber überhaupt nicht. Wenn man im Herzen dieselbe Sprache spricht, dann versteht man sich.
Ich hatte auch gar keine Zeit um mich mit meinen Ängsten zu beschäftigen, weil wir natürlich ständig unterwegs waren. Da konnte ich nur handeln und das war gut so.

Du bist in Berlin, zur Feier des 20-jährigen Mauerfalls gestartet. Dann ging es durch Südeuropa nach Afrika und schließlich über den Großen Teich. Von New York aus, seid ihr durch Amerika bis nach Punta de Vacas in Argentinien gereist. Du hast viel gesehen und erlebt. Was hat dich besonders berührt?
Afrika hat mich geschockt. Ich habe schon viel gesehen, doch soviel konzentrierte Armut ist mir in meinem Leben noch nicht begegnet. Es waren nur drei Länder (Marokko, Senegal, Mauretanien) die wir besucht haben. Wenn ich mir vorstelle, dass es in manchen Regionen noch schlimmer ist, das kann man ich gar nicht vorstellen.

Du möchtest in Mauretanien humanitäre Hilfe leisten. Wie sieht das aus?
Ich habe eine Bürgermeisterin kennen gelernt, die wirklich etwas bewegt. Sie baut ein Schulwesen auf und ist aktiv an der Verbesserung der Infrastruktur beteiligt. Es hat mich dort sehr beeindruckt, dass ganz offen das Thema Gewalt angesprochen wurde. Ich möchte finanzielle Hilfe leisten, um die medizinische Versorgung zu verbessern. Langfristig möchte ich dort ein Humanistisches Zentrum aufbauen. Hierfür benötige ich viele hilfreiche Hände. Daher kann sich jeder Interessierte gern an mich wenden.

Du warst vor einigen Jahren noch in einem völlig anderen Zustand. Dein Leben war bestimmt von Alkohol, Drogen und Gewalt. Irgendwann rebellierte dein Körper und du hast dich Stück für Stück verändert. Wie siehst du dein Leben heute?
Früher war ich eigentlich gegen alles. Ich habe geschimpft und mein erstes Problem war, wo bekomme ich mein nächstes Bier her. Ich habe meinen Hintern nicht hoch gekriegt. Damals war ich sehr weit von mir selbst entfernt. Heute bin ich froh, dass ich FÜR etwas bin, mitmache und mittendrin bin. Es ist mir nicht mehr wichtig, was andere über mich denken. Daher freue ich mich, dass ich den Mut habe, mich an solchen Aktionen zu beteiligen und meinen Worten Taten folgen lasse.

Wenn du König der Welt wärst, was würdest du ändern?
Ich würde dafür sorgen, dass der Mensch wieder vor dem Kapital genannt wird. Dass wir an erster Stelle stehen und uns dessen bewusst sind

Was sind deine Pläne in nächster Zeit?
Ich möchte mich weiterhin meiner Kinder- und Jugendarbeit hier in Mülheim widmen. Zudem möchte ich eine Synthese über den WWM machen und die Erlebnisse aufschreiben. Ich möchte wie gesagt in Mauretanien humanitäre Hilfe leisten und mich beruflich weiter entwickeln. Da ich nicht wieder in diesen Fabrikarbeitertrott oder gar in eine Zeitarbeitsfirma hinein geraten möchte.

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Ich möchte mein klares Bild, was ich von mir gewonnen habe, nicht wieder verlieren. Ich möchte die Energie von dem Marsch mitnehmen und den Mut behalten. Natürlich wünsche ich mir und meiner Tochter Gesundheit.

Wir wünschen dir viel Erfolg und bedanken uns für das Gespräch!
Ilka Baum

Kontakt:
Kai Eberhardt
E-Mail: kai.eberhardt@yahoo.de